14,1)Haltet in Gemeinschaft mit denen zusammen, die im Glauben Schwäche zeigen! Und tut dies nicht, um mit ihnen strittige Fragen auszudiskutieren!

-          „nehmt auf“ => Es geht hier nicht um Gastfreundschaft im engeren Sinn. Sondern es geht Paulus um das Verhalten der Gemeindeglieder in Rom gegenüber einer bestimmten Gruppe, den Schwachen im Glauben. Paulus spricht die Gemeinde als Ganzes an und fordert sie zur Rücksichtnahme gegenüber diesen Schwachen auf. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Schwachen in der Gemeinde eine Minderheit bildeten.

Worauf zielt die Aufforderung? Die im Glauben starken Gemeindeglieder sollen in geschwisterlicher Gemeinschaft mit den Schwachen zusammenhalten. Sie sollen sie als vollwertige Mitglieder der Familie Gottes anerkennen und Rücksicht auf ihr Gewissen nehmen.

-          „der im Glauben Schwache“ => Paulus spricht hier von Christen, die an Jesus als ihren Retter glauben und durch diesen Glauben Vergebung der Sünden und ewiges Leben haben. Sie sind also nicht schwach in dem Sinne, dass sie ihr Leben Jesus nur halb anvertraut haben und nur halb oder nicht so ganz errettet wären. Sondern sie sind schwach im Blick darauf, bestimmte Konsequenzen des christlichen Glaubens zu Ende zu denken und in ihrem Leben umzusetzen. Sie halten bestimmte Dinge für verboten, die in Wirklichkeit für Christen erlaubt sind. Sie halten sich aber offensichtlich noch zur Gemeinde und denken nicht, dass die Starken durch Dinge, die sie tun und die die Schwachen für verboten halten, verloren gehen.

-          „um strittige Fragen auszudiskutieren“ => Es gibt im Wesentlichen 2 Möglichkeiten, diesen Nebensatz zu übersetzen:

• „um Ansichten zu verurteilen“ => Die Starken sollen die Schwachen nicht für deren Ansichten in bestimmten Fragen verurteilen.
• „um über Ansichten zu streiten“ => Die Starken sollen die Schwachen nicht in eine Diskussion über deren Ansichten zwingen.

Die zweite Möglichkeit ist wohl vorzuziehen. Paulus will nicht, dass die Starken die Gemeindezusammenkünfte dafür benutzen, um die Schwachen zu bearbeiten und sie von der Falschheit ihrer Ansichten zu überzeugen. Diese Aufforderung von Paulus ist bemerkenswert, da er sich nach 15,1 selbst zu den Starken zählt und demnach die Ansichten der Schwachen für falsch hält. Die Schwachen haben irrige Ansichten, sind aber keine Irrlehrer. Sie sind durch ihren Glauben an Christus als Geschwister anzusehen.

2)Bei den einen ist der Glaube stark genug, dass sie überzeugt sind, alles essen zu dürfen. Die im Glauben Schwachen essen hingegen nur vegetarische Kost.

-          „einer glaubt, dass …“ => Hier gibt es im Deutschen die Gefahr eines Missverständnisses, nämlich „glauben“ im Sinne von „meinen“ zu verstehen: „Einer glaubt, das heißt er ist der Meinung, er dürfe dies oder jenes tun“. Es geht aber hier um eine richtige Überzeugung, die aus dem Glauben an Christus entspringt. Daher kann man 2a so übersetzen: „Bei den einen ist der Glaube stark genug, dass sie zurecht überzeugt sind, alles essen zu dürfen.“

-          „der Schwache isst Gemüse“ => Gemeint ist, dass er nur Gemüse und Obst isst. Es geht um vegetarische Ernährungsweise. Paulus vermeidet hier wohl bewusst, vom Glauben der Schwachen zu sprechen, aus dem heraus sie vegetarisch leben. Ihre Lebensweise mit der ihr zugrundeliegenden Überzeugung ist Ausdruck von Glaubensschwäche. Sie ist nicht vorbildlich, aber sie ist tolerierbar, ja muss von den Starken toleriert werden.

-          „alles essen … Gemüse essen“ => Paulus nennt hier einen Themenbereich, in dem die Starken und die Schwachen unterschiedliche Auffassungen haben. Die Starken sind davon überzeugt, dass sie Fleisch essen dürfen Die Schwachen hingegen haben pflegen eine vegetarische Ernährung. Es geht in den beiden Gruppen nicht um unterschiedliche Überzeugungen darüber, was gesund ist und was nicht. Aber worum ging es? Es gibt hier unter Auslegern verschiedene Erklärungen:

1)       Es handelt sich bei den Schwachen vor allem um jüdische Christen, die dem Gesetz Mose treu sein wollen, um sich damit einen Verdienst vor Gott zu erwerben. Gegen diese Deutung spricht, dass Paulus die Überzeugung der Schwachen für tolerabel hält. Paulus hat in 3,20 bereits klar gemacht, dass kein Mensch aus „Werken des Gesetzes“ von Gott für gerecht erklärt wird. Mit dem Ausdruck „Werke des Gesetzes“ meint Paulus Dinge, die Gott in seinem Gesetz fordert und die ein Mensch in der Annahme tut, er könne sich damit einen Verdienst vor Gott erwerben.

2)       Es handelt sich bei den Schwachen vor allem um jüdische Christen, die kein Fleisch vom Markt verzehrten. Dieses Fleisch stammte wahrscheinlich aus einer Götzenopferschlachtung und war daher in ihren Augen kultisch verunreinigt. Gegen diese Sichtweise spricht, dass Paulus das Thema Götzendienst und Götzenopferfleisch an keiner Stelle durchblicken lässt. Dagegen spricht auch, dass es noch einen weiteren Themenkreis gibt, der für die Schwachen Bedeutung hat und nichts mit einer Abgrenzung vom Götzenopferfleisch zu tun hat, nämlich die Beachtung bestimmter Feiertage und der Verzicht auf Alkohol.

3)       Nach der besten Deutung handelt es sich bei den Schwachen vor allem um jüdische Christen, die sich, auch nachdem sie zum Glauben an Christus gekommen waren, bestimmten Geboten des mosaischen Gesetzes verpflichtet fühlten. In ihren Augen waren die Einhaltung der Reinheits- und Sabbatvorschriften weiterhin verbindlich. Einige Gründe sprechen für diese Sichtweise:

• Die Beziehung von Juden und Nichtjuden bzw. jüdischen und nichtjüdischen Christen spielt im Römerbrief eine große Rolle.
• Paulus schließt den Abschnitt in 15,8-13 ab, indem er Juden und Nichtjuden unterscheidet und ihre Einheit in der Gemeinde hervorhebt.
• Paulus benutzt in 14,14 einen Begriff, „gemein“ oder „unrein“, der im damaligen Judentum für solche Speisen verwendet wurde, die laut des mosaischen Gesetzes nicht gegessen werden dürfen.
• Eine Schwierigkeit ergibt sich bei dieser Deutung: Im mosaischen Gesetz gibt es kein allgemeines Verbot von Fleisch; eine vegetarische Ernährung wird nicht vorgeschrieben. Das scheint dagegen zu sprechen, dass die Schwachen sich um die Einhaltung alttestamentlicher Speisevorschriften bemühten. Die vegetarische Lebensweise erklärt sich aber aus Vorsicht, kein unreines Fleisch zu essen. Fromme Juden, die in einem nichtjüdischen Umfeld lebten, zogen es häufig vor, ganz auf Fleisch zu verzichten, wenn nicht sichergestellt war, dass das angebotene Fleisch aus einer koscheren Schlachtung stammte.

3)Wer Fleisch isst, soll diejenigen, die es nicht essen, nicht verachten. Und diejenigen, die kein Fleisch essen, sollen die nicht verurteilen, die welches essen. Denn Gott hat sie in seine Gemeinschaft aufgenommen.

-          „wer isst … wer nicht isst“ => Vom Zusammenhang her geht es um das Essen von Fleisch. Die „Starken“ essen es, die „Schwachen“ nicht.

-          „nicht verachten“ => Paulus sieht einige „Starke“ in der Gemeinde von Rom in der Gefahr, auf die Schwachen herabzublicken. Wahrscheinlich ist ihm zu Ohren gekommen, dass es tatsächlich zu solchen Fällen gekommen ist. Richtige Erkenntnis ist gut, aber sie muss mit der Liebe zu schwachen Glaubensgeschwistern verbunden sein. Ansonsten kann sie schnell zu Hochmut führen.

-          „nicht verurteilen“ => Paulus sagt nicht klar, welche Gruppe mit den Streitigkeiten anfing. Vielleicht deutet er hier die Reihenfolge an: Die Starken begannen damit, die Schwachen zu verachten. Diese oder zumindest einige von ihnen reagierten dann damit, dass sie die Starken verurteilten. Es ist nicht klar, wie weit sie in ihrer Verurteilung gingen. Sprachen sie den Starken ihr Heil ab? Das scheint der Fall gewesen zu sein; zumindest ging es in diese Richtung. Es war aber noch nicht so weit wie seinerzeit in den Gemeinden von Galatien, wo die Gruppe von gesetzestreuen jüdischen Christen die anderen zwingen wollten, jüdisch zu werden und auf diese Weise die Spaltung der Gemeinden betrieben. So weit ist in Rom noch nicht gekommen, sonst würde Paulus die Schwachen stärker zurechtweisen und sich klar auf die Seite der Starken stellen. Aber er weist die Schwachen streng zurecht: Sie dürfen den Starken nicht mit dem Gericht Gottes drohen oder gar in Frage stellen, dass sie gerettet sind.

-          „Gott hat sie angenommen“ => Paulus führt den Schwachen vor Augen, dass Gott die Starken angenommen hat. Sie stehen durch den Glauben an Jesus Christus in ungetrübter Gemeinschaft mit ihm. Wenn die Schwachen dies in Frage stellen, müssen sie sich selber irgendwann einmal vor Gott in Acht nehmen. Bislang ist die Auseinandersetzung zwischen den Starken und den Schwachen noch nicht so weit, dass Paulus den Schwachen das Heil abspricht. In 14,1 hat er ja die Starken dazu aufgefordert, die Schwachen in Gemeinschaft aufzunehmen, das heißt als vollwertige Gemeindeglieder anzuerkennen. Und die Schwachen sollen anerkennen, dass die Starken bei Gott angenommen sind. Daher bleibt ihnen, wenn sie Gott gehorsam sein wollen, keine andere Wahl: Sie müssen in Gemeinschaft mit den Starken zusammenhalten.

4)Wer bist du, dass du über den Haussklaven eines anderen Herrn zu Gericht sitzt? Er muss sich allein seinem eigenen Herrn verantworten, steht in seiner Gunst oder fällt aus seiner Gunst. Er wird aber in dessen Gunst erhalten bleiben. Denn der Herr vermag ihn in seiner Gunst zu bewahren.

-          „der Haussklave eines anderen Herrn“ => Paulus gebraucht hier zunächst eine bildliche Redeweise. Er vergleicht die sich streitenden Christen in Rom mit Hausknechten unterschiedlicher Herren. Es ist nicht vorstellbar, dass ein Hausknecht den Hausknecht eines anderen Herrn dafür tadelt, wie er sich gegenüber seinem Herrn verhält. Das geht ihn überhaupt nichts an. Die Schwachen haben kein Recht, die Starken zu verurteilen, genauso wenig wie ein Haussklave den Haussklaven eines anderen Herrn verurteilen kann. Ob jener Haussklave seinem Herrn in rechter Weise dient, entscheidet sein Herr.

-          „er steht oder fällt dem eigenen Herrn“ => Ein Haussklave muss sich vor seinem Herrn verantworten. Der Dativ (3. Fall) gibt hier die Beziehung zwischen dem Haussklaven und seinem Herrn an: Er steht in dessen Gunst oder fällt aus dessen Gunst.

-          „er wird aber in dessen Gunst erhalten bleiben“ => Paulus wechselt hier unvermittelt die Ebene. Es geht jetzt nicht mehr um den Haussklaven eines anderen Herrn, sondern um die Starken in ihrem Verhältnis zu Christus, ihrem Herrn. Paulus macht hier deutlich, dass Christus seine Freude daran hat, wenn die Starken ihm in der richtigen Erkenntnis und in der Freiheit ihres Gewissens dienen. Dass sie im Glauben bewahrt werden und darin heranreifen, liegt nicht an der Befolgung von Reinheitsgeboten, sondern an der Macht und Gnade Gottes.

-          „der Herr“ => Es ist nicht ganz klar, ob Paulus hier von Christus spricht oder von Gott, dem Vater. In den Versen 4b-9 spricht er 9 Mal vom „Herrn“ und bezieht dies meistens eindeutig auf Christus. Die Rede ist dann aber auch von Gott, unter dessen Herrschaft wir stehen, Verse 6.10-12.

5)Die einen erachten bestimmte Tage für wichtiger als andere, für die anderen sind alle Tage von gleicher Bedeutung. Jeder halte für sich an seiner Überzeugung fest!

-          „bestimmte Tage“ => Der Zusammenhang spricht dafür, dass es sich um die unterschiedliche Bewertung jüdischer Feiertage handelt, insbesondere des Sabbats. Es liegt auch nahe, anzunehmen, dass es dieselben Schwachen waren, die von der Einhaltung des Sabbats überzeugt waren. Die Starken hingegen sahen keinen Grund, den Sabbat oder andere jüdische Feiertage gegenüber gewöhnlichen Tagen herauszuheben.

-          „jeder halte an seiner Überzeugung fest“ => Zwar ist Paulus auch in dieser Frage von der Sache her auf der Seite der Starken. In 14,14 bekennt er seine Überzeugung, dass keine Speise an und für sich unrein ist. Und wir können annehmen, dass er diese Freiheit von jüdischen religiösen Sitten auch auf den Sabbat anwendet. Denn in Kol. 2,16-17 sagt er: „Niemand soll euch Vorhaltungen machen wegen dem, was ihr esst oder trinkt oder was ihr an den Festen, am Neumondstag oder am Sabbat tut. Das ist doch alles nur ein Abbild und ein Schatten der Dinge, die Gott angekündigt hatte und die in Christus Wirklichkeit geworden sind.“

Bemerkenswert ist nun, wie Paulus es hier im Röm. 14,5 bejahen kann, dass auch die Schwachen an ihrer Überzeugung festhalten. Er schreibt in den betreffenden Bereichen weder den Starken noch den Schwachen vor, wie sie leben. Er hält sich an dieser Stelle auch mit seiner eigenen Überzeugung zurück und favorisiert nicht die Lebensweise der Starken. Der Starke und der Schwache sollen jeder für sich an ihrer Überzeugung festhalten. „Für sich“ heißt: Sie sollen ihre Überzeugung nicht zum verbindlichen Maßstab für die anderen erheben. Keiner soll den anderen verachten oder verurteilen.

6)Wer bestimmte Tage für wichtiger als andere erachtet, tut es, um dem Herrn zu Gefallen. Und wer Fleisch isst, tut es dem Herrn zu Gefallen, denn er dankt ja Gott dafür. Und wer auf Fleisch verzichtet, tut es auch dem Herrn zu Gefallen, denn er dankt Gott ebenso.

-          „tut es, um dem Herrn zu gefallen“ => Von der Sache her sind die Verse 6-9 eine Begründung für die Aufforderung, oder Erlaubnis, in 5b, jeder solle für sich an seiner Überzeugung festhalten, ohne den anderen zu verachten oder zu verurteilen. Warum kann Paulus beiden Gruppen, also auch den Schwachen, die Aufforderung oder Erlaubnis geben, an ihrer Lebensweise festzuhalten? Die erste Antwort ist offensichtlich und wird von Paulus gar nicht eigens erwähnt, weil sie vorausgesetzt wird: Es ist nicht verboten, Fleisch zu essen, was nach jüdischem Verständnis unrein ist. Es ist nicht verboten, vegetarisch zu leben. Es ist nicht verboten, den Sabbat unbeachtet zu lassen und genauso wenig, ihn zu halten.

Jetzt gibt es für Paulus aber auch noch einen zweiten Grund, warum er beide Überzeugungen erlaubt. Paulus geht davon aus, dass sowohl der Starke als auch der Schwache ihre Lebensweise aus Glauben und mit gutem Gewissen ausüben. Sie tun es in der Überzeugung, damit Gott zu Gefallen und ihn zu ehren.

-          „er dankt Gott“ => Ausdruck des Glaubens und des guten Gewissens beim Essen ist die Dankbarkeit gegenüber Gott. Im Dankgebet bringen wir zum Ausdruck, dass wir das, was wir essen, als Gottes gute Gabe ansehen und wertschätzen. Wir ehren Gott, wenn wir zu ihm als unserem Schöpfer und Geber aller guten Gaben beten. Paulus gibt uns hier einen Einblick in die Gebetspraxis der ersten Christen. Sie haben Gott bei den Mahlzeiten für seine Gaben gedankt. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Glaube an Jesus Christus in einer täglich gepflegten Beziehung zu Gott Gestalt gewinnt.

-          „wer kein Fleisch isst, dankt Gott auch“ => Die Schwachen essen kein Fleisch, sondern leben vegetarisch. Auch sie danken Gott für die vegetarische Kost, die er ihnen gibt und mit der er sie nährt.

-          „tut es dem Herrn zu Gefallen, er dankt ja Gott“ => Es ist einmal mehr bemerkenswert, wie sehr Paulus Christus, den Herrn, und Gott, den Vater, als Einheit ansieht. Er geht davon aus, dass Christen Christus als ihren obersten Herrn anerkennen und zu ihm beten. Ausdruck dieses Glaubens an Jesus ist es zugleich, dass sie zu Gott, dem Vater, beten. Für Paulus ist dies Ausdruck eines guten und funktionierenden Gewissens bei Christen, dass sie zum Vater und zum Sohn beten. Sie haben dabei die Gewissheit, es mit einem Gott zu tun zu haben, der in drei göttlichen Personen existiert, Vater, Sohn und Heiliger Geist.

7)Denn keiner von uns lebt, um sich selbst zu gefallen, oder stirbt nach eigenem Ermessen. 8)Wir leben ja für den Herrn, und auch wenn wir sterben, geschieht dies wann und wie der Herr es will. Wir leben also als Eigentum des Herrn und wir sterben auch als Eigentum des Herrn.

-          „denn“ => Paulus gibt in den Versen 7-9 eine Begründung für die Aussage in Vers 6, warum die Starken und die Schwachen dem Herrn zu Gefallen leben. Er setzt ja voraus, dass sie dies tun. Aber sie wenden dies nicht konsequent genug auf ihr derzeitiges Problem an. Deshalb führt ihnen Paulus vor Augen, wie umfassend die Herrschaft von Christus über ihr Leben zu verstehen ist. Manches davon haben sie schon verinnerlicht. Aber Paulus vertieft diesen Gesichtspunkt, damit sie erkennen, wie absurd es ist, Geschwister zu verachten oder zu verurteilen, die sich letztlich allein vor Christus zu verantworten haben.

-          „keiner von uns lebt sich selbst oder stirbt sich selbst“ => An und für sich ist es schwierig, zu verstehen, was Paulus hier meint. Er erklärt die Bedeutung dieser Aussage in Vers 8.

-          „wir leben ja für den Herrn“ => Paulus geht davon aus, dass sowohl die Starken als auch die Schwachen grundsätzlich davon beseelt sind, Gott mit ihrem Leben zu verherrlichen. Dies ist eine wesentliche Grundlage dafür, trotz unterschiedlicher Überzeugungen in manchen Fragen die Einheit zu bewahren. Gleichzeitig ruft Paulus die Gemeindeglieder dazu auf, die Herrschaft von Christus über jeden einzelnen in der Gemeinde anzuerkennen.

-          „wir sterben im Blick auf den Herrn“ => Paulus spricht hier vom zeitlichen Tod. Christen sind davon geprägt, ihr Leben im Lichte des Todes zu leben. Sie wissen, dass sie Christus am Ende Rechenschaft über ihr Leben geben werden. Sie wissen auch, dass Christus bestimmt, wann sie sterben, woran sie sterben und unter welchen Umständen.

-          „wir sind des Herrn“ => Christen sind das Eigentum von Jesus Christus. Sie sind es schon in diesem Leben. Aber sie sind es auch dann noch, wenn sie sterben bzw. gestorben sind. Im Tod wird Christus bei ihnen sein. Nach dem Tod werden sie sich vor ihm verantworten. Nach dem Tod wird er sie mit neuem Leben beschenken. Im ewigen Leben werden sie für immer das Eigentum von Christus bleiben und unter seiner guten Herrschaft leben.

9)Denn Christus ist deshalb gestorben und wieder lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.

-          „denn“ => Paulus begründet in Vers 9, warum wir in diesem Leben und über den Tod hinaus für immer Eigentum von Christus sind. Dies liegt daran, dass Christus für uns gestorben ist und wieder vom Tod auferweckt worden ist. Wir dienen einem Herrn, der sein Leben für uns gegeben hat und gibt. In seinem Tod hat er die Strafe auf sich genommen, die wir wegen unserer Sünde verdient haben. Durch die Auferstehung von den Toten hat Gott ihn zum Herrn der Welt eingesetzt. Als auferstandener Herr gibt Christus uns durch seinen Geist Anteil an seinem neuen Leben. Dabei ist es letztlich egal, ob wir noch hier leben oder schon gestorben sind. Wir sind jetzt schon unter der Herrschaft von Christus. Wir haben in ihm die Rechtfertigung, Erlösung, neues Leben und Heilsgewissheit. Und nach dem Tod werden wir in ihm vollendet werden. Wir werden in ihm vom Tod auferstehen und ihm in einem von ihm geschenkten vollendeten Leben dienen.

10)Warum verurteilt ihr also dann eure Glaubensgeschwister? Warum verachtet ihr eure Glaubensgeschwister? Denn wir alle müssen einmal vor Gott erscheinen und werden dann von ihm unser Urteil empfangen.

-          „was richtest du deinen Bruder“ => Mit seiner Frage spricht Paulus den Schwachen das Recht ab, die Starken zu verurteilen. Denn sie sind ihre Brüder, die Christus als ihrem Herrn dienen und letztlich ihm allein Rechenschaft schuldig sind. Sie haben das Wohlgefallen ihres Herrn, wenn sie im Glauben an ihn die Freiheit haben, ihm ohne Berücksichtigung von Reinheits- und Sabbatgeboten zu dienen.

-          „was verachtest du deinen Bruder“ => Paulus bemüht sich, beide Gruppen angemessen zurechtzuweisen. Die Starken haben nicht das Recht, die Schwachen zu verachten und sie als Christen zweiter Klasse zu behandeln. Denn auch sie haben das Wohlgefallen ihres Herrn, wenn sie im Glauben an ihn Reinheits- und Sabbatgebote einhalten.

-          „denn“ => Paulus gibt in den Versen 10-12 den Grund dafür an, warum es vollkommen unangebracht ist, dass die Starken die Schwachen verachten und die Schwachen die Starken verurteilen. Die Starken müssen sich nämlich nicht vor den Schwachen rechtfertigen, sondern vor Gott. Und die Schwachen müssen sich nicht vor den Starken rechtfertigen, sondern vor Gott.

-          „vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen“ => Paulus spricht hier von Gottes Gericht in Anlehnung an damals übliche Gegebenheiten vor einem Richter. Die Funktion als Richter nahmen gewöhnlich Herrscher ein. Der Herrscher betrat, wenn er Rechtsfälle zu beurteilen hatte, den „Richterstuhl“. Gemeint ist damit eine erhöhte Ebene, worauf ein Stuhl steht. Der Herrscher betritt die Ebene, setzt sich auf den Stuhl und nimmt seine Aufgabe als Richter wahr.

Wir müssen hier sorgfältig darauf achten, wie wir dies auf unsere Begegnung mit Gott nach dem Tod anwenden. Wir werden vor ihn, wenn wir im Glauben an Christus gestorben sind, nicht als Angeklagte geführt. Es geht dann auch nicht darum, dass Gott uns die Strafe für unsere Sünden verkündet und uns verurteilt. Sondern Paulus hebt hervor, dass wir für unser Leben letztlich vor Gott allein Rechenschaft ablegen und nicht vor Menschen. Die Tatsache, dass Gott unser Leben beurteilt, macht uns frei von Verurteilungen durch Menschen. Und sie ist eine Warnung an uns, dass wir uns in der Beurteilung von Menschen nicht Dinge anmaßen, die Gott allein zustehen.

11)Dies entspricht dem, was geschrieben ist: „So wahr ich, der Herr, lebe: Alle werden vor mir auf die Knie fallen, alle werden bekennen, dass ich allein Gott bin.“ 12)So wird also jeder einzelne von uns sich vor Gott selbst für das verantworten, was er getan hat.

-          „was geschrieben ist“ => Paulus zitiert aus Jes. 45,23. Vom Zusammenhang der Stelle her geht es dort nicht um Menschen, die ängstlich vor Gott niederfallen und ihre Bestrafung durch ihn erwarten. Sondern die Rede ist dort von solchen, die in Ehrfurcht vor Gott niederfallen und bekennen, dass er allein Gott ist: „Kommt zu mir und lasst euch retten, ihr Menschen der ganzen Erde! Denn nur ich bin Gott und sonst keiner. Ich schwöre bei mir selbst, und was ich sage das geschieht auch: Alle werden vor mir auf die Knie fallen und feierlich bekennen: ´Nur beim Herrn gibt es Rettung und sicheren Schutz.`“

Dies passt zu der Anwendung dieser Stelle auf die Situation in der Gemeinde von Rom. Die Starken werden von Gott gelobt werden, wenn sie im Glauben an Jesus Reinheits- und Sabbatgebote unbeachtet ließen. Die Schwachen werden von Gott gelobt werden, wenn sie im Glauben an Jesus Reinheits- und Sabbatgebote beachteten.

-          „also“ => Paulus fasst in Vers 12 seine Begründung für die Aufforderung in Vers 10 zusammen. Die Starken sollen die Schwachen nicht verachten; die Schwachen sollen die Starken nicht verurteilen. Warum? Weil sich jeder einzelne vor allen Dingen vor Gott verantworten muss. Entscheidend wird dann sein, ob man Gott aus Glauben und mit reinem Gewissen gedient hat. Auf die Bedeutung eines guten, reinen Gewissens vor Gott geht Paulus dann von 14,13 an ein.

-          Anwendungen

1)       Wir haben die Freiheit, Gott in Bereichen, wo es keine klaren Vorschriften gibt, nach Maßgabe unseres Glaubens und unseres Gewissens zu dienen. Wir können hier dem folgen, was unsere Liebe zu Gott uns eingibt und uns angemessen erscheinen lässt in der Verherrlichung Gottes.

2)       Wir müssen uns davor hüten, Geschwistern in Bereichen, wo es von Gott her keine klaren Vorschriften gibt, unsere Überzeugungen aufzuzwingen. Wo Gott uns Freiheiten lässt, sollen wir sie für andere gelten lassen und sie darin fördern, Gott in der von ihnen gewählten Art und Weise zu verherrlichen.